Japanische Philosophie Ikigai: Wofür es sich zu leben lohnt

Japanische Philosophie Ikigai: Wofür es sich zu leben lohnt

Leidenschaft, Begeisterung, Freude, Job und Berufung vereinbaren – Ikigai ist eine japanische Lebenskunst und steht für alles, was für unser Leben sinngebend ist. Doch welchen Sinn sieht jeder einzelne von uns in seinem Leben? Wofür stehen wir letztendlich jeden morgen auf? Die Antwort darauf ist alles andere als einfach. Hier bekommst du alle Informationen rund um das spannende Thema Ikigai und welche Philosophie hinter dem Konzept steht.

Inhalt im Überblick

1.  Ikigai: Was genau steckt hinter dem Konzept aus Japan?

Ikigai (ee-key-guy) ist ein japanisches Konzept, das die Begriffe iki (“lebendig“, “Leben“) und gai (“Nutzen“, “Wert“) kombiniert. Diese Begriffe stehen für das, was deinem Leben Wert und Sinn verleiht. Die Suche nach einem Sinn im Leben ist eines der grundlegendsten menschlichen Bedürfnisse. Dennoch wissen wir alle, wie schwierig es ist. Was will jeder einzelne von uns wirklich im Leben? Um das herauszufinden, kann uns das japanische Konzept Ikigai behilflich sein. Ikigai ist das, was das Leben lebenswert macht.

Das Finden unseres Ikigai bringt uns nicht nur mehr Sinn und Zweck, sondern fördert unsere körperliche Gesundheit und unser geistiges Wohlbefinden. Es hat sich gezeigt, dass Ikigai die Immunfunktion beeinflusst und die Lebenserwartung erhöht, Angstzustände reduziert und die Widerstandsfähigkeit (Resilienz) verbessert.

2. Ikigai: Eine japanische Philosophie

Das Konzept von Ikigai basiert auf den Gesundheits- und Wellnessprinzipien der traditionellen japanischen Medizin. Diese besagt, dass unser körperliches Wohlbefinden von der geistig-emotionalen Gesundheit und dem Sinn des Lebens beeinflusst wird.

Nach der japanischen Psychologin Michiko Kumano ist Ikigai ein Zustand des Wohlbefindens. Dieser entsteht, wenn wir uns einer Aktivität hingeben, die uns auch Spaß und Freude bereitet und damit auch ein Gefühl der Erfüllung mit sich bringt. Kumano unterscheidet Ikigai außerdem vom vergänglichen, kurzlebigen Vergnügen und bringt es in Einklang mit einem gut gelebten Leben. Am Ende steht dann die höchste und dauerhafte Form des Glücks. Der japanische Neurowissenschaftler Ken Mogi bringt es auf den Punkt: Nach ihm ist Ikigai ein altes und vertrautes Konzept für Japaner:inner, das einfach nur als „ein Grund, morgens aufzustehen“ oder „mit Freude aufwachen“ übersetzt werden kann.

2.1 Okinawa: Ikigai und die japanische Insel der Hundertjährigen

Auf der japanischen Insel Okinawa leben besonders viele hundertjährige Menschen (68 pro 100.000 Einwohner, in Europa sind es 10 bis 20 pro 100.000 Einwohner). Und Okinawa gilt zudem als Hochburg der japanischen Philosophie Ikigai. Die Menschen führen ein glückliches Leben. Milde Wetterverhältnisse, eine gesunde Ernährung und wenig Stress sind wichtige Faktoren, die eine Rolle spielen. Die Menschen sind zudem auch im hohen Alter aktiv und zielstrebig.

Ikigai ist für die Menschen auf Okinawa mehr als nur Spiritualität. Es ist auch das gelebte Leben. Lebensfreunde und innere Zufriedenheit wird bei Ikigai zu einer Einheit. Es ist der feste Glaube daran, dass das eigene Leben wert ist, gelebt zu werden.

2.2 “Hara Hachi Bu” und "Hatarakigai”

Ikigai durchdringt als innere Haltung das ganze Leben. Schon beim Frühstück isst man im Sinne von Ikigai nur so viel, bis man eine Sättigung fühlt, aber keine Völlerei. In Japan sagt man dazu auch: “Hara Hachi Bu”. “Hatarakigai” beschreibt hingegen das Gefühl, dass die Arbeit, die wir verrichten, es auch wert ist, getan zu werden. Beim Ikigai geht es letztendlich um die Wertschätzung in all unseren Lebensbereichen – über Generationen und auch gegenüber Menschen im höheren Alter.

2.3 Konzept des Flusses: “Flow”

Die japanische Philosophie steht auch mit dem Konzept des Flusses in Zusammenhang. Demnach entsteht “Flow”, wenn wir ganz bei uns sind und unsere besten Momente oder Momente, in denen wir in Bestform sind, erfahren. Diese entstehen, wenn Körper oder Geist bis an die Grenzen beansprucht werden, und zwar mit dem freiwilligen Bemühen, etwas für Wertvolles zu erreichen.

Wir befinden uns genau dann in einem sogenannten Flow, wenn wir konsequent etwas tun, das wir lieben und in dem wir auch gut sind. Schaffen wir darüber hinaus einen Mehrwert für das Leben anderer, befinden wir uns im Einklang mit unserem Ikigai. Und genau das verleiht unseren Leben Sinn und Zweck. Es ist also wichtig zu beachten, dass sich Ikigai nicht nur auf die eigene Erfüllung im Leben bezieht, sondern dass wir auch Rücksicht auf andere Menschen oder die Gesellschaft insgesamt nehmen. Daher wird Ikigai üblicherweise sowohl als persönliches Streben als auch als ein Streben nach Nutzen für andere bezeichnet. Der Weg zum eigenen Ikigai erfordert Zeit, tiefe Selbstreflexion und Anstrengung.

3. Ikigai-Modell: persönliche und soziale Dimension des Konzepts

Das Konzept von Ikigai als Lebenszweck mit sowohl persönlicher als auch sozialer Dimension wird durch das bekannte Ikigai-Modell erfasst. Dieses Diagramm enthält vier entscheidende Fragen, die folgende Aspekte mitsamt der Schnittmengen abdecken:
1. Was liebst du?
2. Was kannst du gut?
3. Was braucht die Welt?
4. Wofür kannst du bezahlt werden?

In diesem Diagramm steht Ikigai im Zentrum und umfasst die vier Hauptbereiche und wie sie sich im Leben eines Menschen überschneiden könnten. Wenn du versuchst, mithilfe eines solchen Diagramms dein persönliches Ikigai zu bestimmen, füllst du jeden Bereich mit Inhalt aus, der auf deinen persönlichen Erfahrungen, deiner Selbsterkenntnis und deinem Verständnis der Welt basiert.

Einige der Inhalte, die in diese Bereiche einfließen würden, fallen dir bestimmt leichter als andere. Andere Inhalte erfordern möglicherweise mehr Zeit und Selbstreflexion. In jedem Fall hilft die das Diagramm dabei klarzustellen, wo du auf deiner Suche nach Ikigai stehst und wie du die Anpassungen vornehmen kannst. Schauen wir uns die vier Bereiche genauer an:

Leidenschaft: Was du liebst Leidenschaft: Was du liebst

3.1 Leidenschaft: Was du liebst

Was liebst du? Dieser Bereich befasst sich mit den Themen Leidenschaft, Freude, Lebendigkeit und Erfüllung. Was bereitet dir in deinem Leben Freude, wann fühlst du dich lebendig und wann erfüllen dich Dinge, die du tust, mit Glück? Es geht darum, was du liebst und erlebst und was du mit Leidenschaft tust – ganz ohne Hintergedanken, ob wir gut darin sind, Geld dafür bekommen oder ob die Welt das benötigt. Es könnten Hobbys sein, die dich wirklich begeistern wie z. B. Malen, Segeln, Dichten, Schreiben, Singen oder Zeit mit lieben Menschen verbringen.

Tipp

Nimm dir Zeit, setze dich hin und schnappe dir ein Stück Papier. Schreibe nun eine Liste alle Dinge auf, die du liebst und die dich begeistern – wirklich alle. Es können Katzen, Eiscreme, Kosmetik, Fernsehsendungen sein. Es sind die Dinge, die dich innerlich warm und wohlfühlen lässt. Je länger die Liste, desto besser.

3.2 Talente und Fähigkeiten: Worin du großartig bist

Was kannst du besonders gut? Worin bist du herausragend? In diesen Bereich gehören alle Fähigkeiten, die du erlernt hast, Hobbys, die dich mit Glück erfüllen und denen du nachgegangen bist und deine Talente, die dich nicht zwingend begeistern müssen, die aber schon seit deiner Kindheit und Jugend erkennbar waren. Möglicherweise warst du schon immer ein empathischer Mensch? Oder du bist außerordentlich musikalisch oder sportlich? Auch in diesem Bereich geht es nicht darum, ob du mit deinen Fähigkeiten und Talenten Geld verdienst oder ob du damit einen Beitrag für die Welt leistest.

Tipp

Schreibe auch hier wieder alles auf – auch deine verrücktesten Talente und Fähigkeiten, z. B. wenn deine Zunge bis an deine Nase reicht. Auf diese Weise kannst du herausfinden, wie groß dein Potenzial wirklich ist und wie du deine Talente optimal entwickeln und einsetzen kannst.

3.3 Bedürfnisse: Was die Welt braucht

Welchen Beitrag kannst du für die Welt, für die Gesellschaft und den einzelnen Mitmenschen leisten, der über deine eigenen Bedürfnisse hinausgeht? Mit diesem Thema beschäftigt sich ein weiterer Bereich des Ikigais. Die Bedürfnisse der Welt beziehen sich einerseits auf deine persönlichen Erfahrungen und andererseits auch auf Eindrücke oder Bedürfnisse deiner Mitmenschen. Zu den Bedürfnissen der Welt und Gemeinschaft gehören zum Beispiel qualifizierte Krankenpfleger:innen, sauberes Wasser, Heizung, freiwillige Helfer am Wahltag oder ehrenamtliche Mitarbeiter in verschiedenen Einrichtungen.

Tipp

Frage dich zunächst, was du persönlich brauchst. Dann denke über die Frage nach, was die Welt braucht. Güte, Talent, Disziplin – es kann alles sein. Wichtigste Regel dabei ist es, ehrlich zu sein und deine eigene Meinung zu äußern. Es geht nicht darum, was du gehört hast oder an was du nicht wirklich glaubst.

3.4 Geld und Beruf: Wofür du bezahlt wirst

Im vierten Bereich des Ikigai-Modells geht es ums Geld. Darum, ob jemand anderes bereit ist, deine Fähigkeiten und Talente zu bezahlen. Das wiederum hängt von verschiedenen Faktoren ab: Wirtschaftslage, Nachfrage nach deinen Talenten, Fähigkeiten und Leidenschaften und wie viele Wettbewerber:innen auf dem “Markt” sind.

Tipp

Schau dir deine Listen über deine Leidenschaften, Talente und Fähigkeiten an und überlege, mit welchen Punkten du möglicherweise Geld verdienen kannst. Wenn du großartig singen kannst, wäre der Beruf Sänger:in eventuell eine Option. Setze deine Vorstellungskraft ein – es gibt so viele ungewöhnliche Berufe. Liste sie alle auf.

Das eigene Ikigai suchen und Gleichgewicht finden Das eigene Ikigai suchen und Gleichgewicht finden

4. Das eigene Ikigai suchen und Gleichgewicht finden

Deine persönlichen Antworten auf die Fragen in dem Ikigai-Modell bilden die vier Hauptbestandteile deines Lebens. Leidenschaft, was du liebst und gut kannst. Mission, was du liebst und fühlst und was die Welt braucht. Geld und Beruf, was du kannst und wofür du bezahlt wirst. Das eigene Glück und Ikigai zu finden, ist keine einfache Angelegenheit. Dafür bedarf es Zeit und Geduld. Hast du Probleme, dein eigenes Ikigai zu finden? Die gute Nachricht: Das Ikigai-Modell mit seinen vier Bereichen umfasst nicht alle Fragen, die du dir stellen kannst. Versuche dich daran zu erinnern, welche Dinge dir als Kind Freude bereitet haben oder welche Art von Arbeit für dich ganz selbstverständlich ist.

Ein wichtiger nächster Schritt wäre, dein Gleichgewicht zu finden. Dafür schaue dir noch einmal all die Dinge an, die du in dem Ikigai-Modell notiert hast. Versuche nun den gemeinsamen Nenner herauszufinden, welche deiner Aktivität alle vier Elemente kombiniert:
✦ Deine Leidenschaft besteht aus dem, was du liebst und worin du gut bist.
✦ Deine Mission besteht aus den Aspekten, was du liebst und was die Welt und andere Menschen brauchen.
✦ Deine Berufung und Beruf liegen darin, was du besonders gut kannst und womit du Geld verdienst.

Die Schnittstelle aus allen vier Bereichen des Modells würde daher beinhalten: Du hast eine Leidenschaft, in dem du auch gut bist, das die Welt benötigt, für das dich jemand bezahlen wird. Dann hast du dein eigenes Ikigai gefunden.

Und denke immer daran

Du kannst dein Ikigai nicht über Nacht finden – aber es lohnt sich, alle Möglichkeiten zu erkunden, um sein Gleichgewicht und Ikigai zu finden. Beim Ikigai geht es übrigens nicht immer nur berufliche Erfolge. Es kann auch dein Hobby oder deine Familie sein. Genieße auch die Freuden und kleinen Dinge des Alltags, lebe im Hier und Jetzt, erinnere dich an die schönen Erlebnisse in der Vergangenheit und lerne, dass du immer und zu jeder Zeit ein glückliche und aktives Leben aufbauen kannst. Wer jeden Morgen ausgeglichen und freudig aufwacht, hat bewusst oder unbewusst schon viel für sein Ikigai getan.